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Die Zoo Utopie – Oder: Die neue Freizeitgestaltung

 Oliver Henschen und Jan Ruch im Allwetterzoo Münster, wo bald vieles digitaler werden soll.
Oliver Henschen und Jan Ruch im Allwetterzoo Münster, wo bald vieles digitaler werden soll.

Egal ob Anreise, Tropenhalle oder Arbeitsprozesse - der Münsteraner Allwetterzoo plant eine gewaltige Digitalisierungsoffensive in allen Bereichen. Wie ihnen dabei der Eintritt in die Hub-Community helfen konnte, erzählen Frank Röttger und Jan Ruch im Interview.

Zum Wechsel der Geschäftsführung Ende 2020 brachte die neue Direktorin Dr. Simone Schehka einige Vorhaben für den Allwetterzoo Münster mit sich. Ein großes Ziel: Die Digitalisierung, sowohl intern als auch für die Besucher. „Wir haben einfach die Notwendigkeit gesehen, dass wir uns digital aufstellen müssen“, sagt Jan Ruch, Kommunikations- und Marketingleiter. Logischer erster Schritt für das Team war dann, beim Digital Hub anzuklopfen. Auf Fragen wie, „wie digitalisieren wir uns richtig, Schritt für Schritt?“ und „wie können wir uns vernünftig strukturieren?“ war die Antwort damit gefunden. „Wir dachten: ‚Ok, die können uns bestimmt dabei helfen‘“.

Wir haben einfach die Notwendigkeit gesehen, dass wir uns digital aufstellen müssen.

Durch den Digitalhub münsterLAND entstand der Kontakt zum Institut für Prozessmanagement und Digitale Transformation (IPD) der FH Münster. Gemeinsam wurde dann an einer Digitalisierungsstrategie gearbeitet. In mehreren halbtägigen Workshops wurden der Status Quo und die Zielsetzungen eruiert.

Von der anfänglichen Idee, diverse einzelne Projekte umzusetzen, ist das Team dann schnell abgekommen. Ob CRM, ERP, Zeiterfassung, digitaler Workflow oder cloudbasiertes Telefon – „wenn man überlegt, was man machen kann, dann hängt da so ein Rattenschwanz dran. Da muss man aufpassen, dass man sich nicht in Einzelmaßnahmen verzettelt“, sagt Frank Röttger, kaufmännischer Leiter beim Allwetterzoo.

Das IPD hat entsprechend der gemeinsamen Workshops die anstehenden Themen geclustert und konkrete Handlungsempfehlungen ausgesprochen. Auch im Team des Allwetterzoos wurde eine Digitalisierungsgruppe gebildet. Denn sowohl intern, für die Mitarbeitenden, als auch extern, im Service für die Besucher und Besucherinnen, sollen Digitalisierungsmaßnahmen durchgeführt werden.

Was ist also konkret geplant? Los ging es mit dem Kassenbereich. Das Onlineticketing und ein neues Warenwirtschaftssystem wurden eingeführt, dafür die Schnittstellen an den Kassen angepasst. Erste Belastungsprobe war Corona. „Das ganze System ist in die Knie gegangen“, sagt Jan Ruch. Über eine Ausschreibung musste also kurzfristig ein neues System gefunden werden. Intern sind aktuelle Themen in der Digitalisierungsgruppe das neue CRM System, das an ein ERP System gekoppelt werden muss. Auch Basics wie digitale Urlaubsanträge und die Personaleinsatzplanung hat sich das Team vorgenommen.

Von den Startups kommen immer coole Ideen, und sie sind deutlich flexibler als ‚Standard Anbieter‘.

Ein besonderes Highlight werden digitale Elemente in der im Bau befindlichen Meranti-Halle, die in der zweiten Jahreshälfte 2022 eröffnet wird. Einige Inhalte sollen mit Hilfe von zum Beispiel Augmented Reality in einer Zoo-App aufbereitet werden und so für die Besuchenden noch erlebbarer werden. Auch in die Außenstation des Zoos für Artenschutz und -erhalt, das Angkor Center for Conservation of Biodiversity (ACCB) in Kambodscha, sollen die Zoo Besucher und Besucherinnen durch Virtual Reality mitgenommen werden. Für die Umsetzung hat das Digitalisierungsteam auch mit dem Fellowship Startup lemontree.xyz gesprochen, das sich in diesem Bereich spezialisiert hat. Zu der Zusammenarbeit mit einem Startup sagt Jan Ruch: „Von den Startups kommen immer coole Ideen, und sie sind deutlich flexibler als ‚Standard Anbieter‘". Allerdings hakt es dann manchmal an anderen Faktoren: „Bei großen Projekten müssen wir uns an EU Vergaberichtlinien halten. Da mangelt es Startups leider manchmal die Erfahrung. Sie haben visionäre Ideen, aber in so einem Pitch keine Erfahrung.“ Für einige der Digitalisierungsprojekte ist das Team des Allwetterzoos daher noch auf der Suche nach Partnern für die Umsetzung.

Sollte alles klappen, beschreibt Jan Ruch den digitalen Zoobesuch in 5 Jahren wie folgt: „Im Idealfall haben die Besuchenden den kompletten Zoobesuch von Zuhause vorgeplant. Sie haben den Parkplatz reserviert, das Kennzeichen eingetragen, das Kennzeichen wird automatisch erkannt bei Einfahrt, wir haben ein schrankenloses System, man fährt runter und hat schon bezahlt, fertig. Man kommt zum Eingang, hält die Allwetterzoo App vor einen Scanner, geht durch ein Drehkreuz, und ist dann im Zoo. Man kann sich dann mithilfe eines Lageplans in der App orientieren oder eine Route aussuchen, die eventuell durch einen Guide begleitet wird, Infos zwischendurch über die App einsammeln. Kann dann im Restaurant über die App bezahlen und wenn gewollt sogar vorher einen Tisch buchen, und verbringt so einen entspannten Tag im Zoo. Denkt man weiter, kann sogar die An- und Abreise geplant werden – ich fahre noch mit der Solaaris in die Stadt, fahre abends mit dem E-Scooter zurück nach Hause. Aber das dann vielleicht in 10 Jahren. Ich glaube aber, dass viele Grundlagen dafür schon gelegt sind.“

Ist das dann nicht schon fast Smart City?

„Ja gut, aber das ist dann ja das ganzheitliche Zooerlebnis. Wenn man schaut – ein durchschnittlicher Zoobesuch dauert 3-4 Stunden. Wenn ich dafür extra von außerhalb komme und 150-200 km anreise, 2 Stunden hin, 2 Stunden zurück – dann habe ich 4 Stunden Autofahrt für 4 Stunden Zoobesuch. Man stellt sich dann die Frage, ob man nicht den restlichen Tag noch in Münster verbringen möchte? Das ist auch ein Bestreben, näher mit der Stadt zusammenarbeiten, um die Synergien zu schaffen.“ Frank Röttger entgegnet: „Schön wär‘s, aber da muss man schauen, was der eigentliche Zweck des Zoos ist.“

Grenzt die Vorstellung von Jan Ruch also schon an eine Zoo Utopie? „Eher die neue Freizeitgestaltung – Ich will losgehen, und der Tag muss sofort perfekt sein. Für uns gilt grundsätzlich: je mehr Erlebnis, oder umso einfacher wir unseren Kunden alles gestalten können, umso besser“, antwortet er.

Natürlich läuft so eine Digitalisierungsoffensive nicht ohne Hindernisse und Hürden. „Es ist ganz klar: Digitalisierung kostet Geld. Jede Menge Geld sogar“, sagt Frank Röttger. Einige Investitionen konnten geringgehalten werden, da eng mit dem IPD und einigen Studierenden zusammengearbeitet wurde.

Der zweite große Faktor ist Zeit. Die Strategie aufzustellen hat insgesamt mehrere Wochen Arbeitszeit beansprucht. „Das ist eben auch wirklich extrem“, findet Jan Ruch. „Das Sammeln der internen Schnittstellen ist super zeitintensiv. Das in den Alltag zu integrieren ist manchmal nicht so einfach“. Und man muss sich fragen: „Wie kann man das langfristig aufbauen, damit alles nachhaltig digitalisiert ist? Das alles zu eruieren ist sehr aufwendig.“

Intern erhoffen wir uns, Arbeitsprozesse zu optimieren. Zeit zu gewinnen, um die eigentliche Arbeit zu machen [...]. Das sind die Hauptantriebsfedern, die wir ausgemacht haben.

Wieso nimmt das Team des Allwetterzoos also diese Anstrengungen auf sich?

„Intern erhoffen wir uns davon, Arbeitsprozesse zu optimieren. Sei es bei der Rechnungserstellung, bei den Urlaubsanträgen, bei den Bestellungen, bei den Lagerbeständen - da Zeit zu gewinnen, um die eigentliche Arbeit zu machen und nach außen dem Kunden besseren Service zu bieten. Das sind die Hauptantriebsfedern, die wir ausgemacht haben“, sagt Frank Röttger.

Jan Ruch ergänzt: „Beim Service ist es so: der Kunde will hier hin und will den Zoo erleben. Aber er will sich nicht damit auseinandersetzen, wie er zum Parkplatz kommt, einen Parkplatz findet, wie komme ich rein, wie kriege ich was zu essen – diese ganzen Hemmschwellen und Überwindungen – wir wollen es den Leuten so einfach wie möglich machen, das Erlebnis Zoo in den Fokus des Tages zu rücken. Diese ganze Organisation muss nebenbei passieren und überhaupt nicht schwer sein. Das ist unser Anspruch an unseren Service, den wir bieten wollen.“

Zum Zeitpunkt unseres Interviews war das Team bereits seit etwa einem Jahr mit dem Digitalisierungsprozess beschäftigt. Wir haben also gefragt, welche Learnings die beiden bei dem Vorgehen und im gesamten Digitalisierungsprozess der Community mitgeben können. „Nicht zu schnell vorgehen“ – da sind sich Jan Ruch und Frank Röttger einig. Denn als Anfang 2021 auf die Arbeit mit Office 365 umgestellt wurde, gab es vorab nicht viel Kommunikation. „Das ist auf jeden Fall ein Learning: die Schulungen vorziehen und zeitnah machen, damit der Workflow bestehen bleibt.“  Insgesamt sei langfristige Planung der Schlüssel.

Wir sind gespannt, wie der digitale Zoobesuch in fünf Jahren dann aussehen wird. Danke euch, Jan und Frank, für das Interview!

Story verfasst von
Marie Lechtenberg

Marie Lechtenberg

Marketing Managerin
Events PublicRelations
SocialMedia

07.12.2021