Navigation

Henning Emmrich: Mit Remote Company in fünf Jahren zum erfolgreichen Exit

 Henning Emmrich beim Monstergrill-Event 2023
Henning Emmrich beim Monstergrill-Event 2023
Bild: Thomas Mohn / Digital Hub münsterLAND

Viele Unternehmen arbeiten inzwischen "remote". Doch nur wenige haben dies so konsequent umgesetzt wie das Startup Frontastic. Mit Erfolg: Im Interview erzählt Gründer Henning Emmrich, wie sein Team und er in nur fünf Jahren einen erfolgreichen Exit hinlegen konnten.

Henning, du bist Mitgründer von Frontastic, einer cloud-basierten Plattform für das Frontend-Management von E-Commerce-Websites und -Applikationen. Erzähl doch zu Beginn mal, wie das alles mit Frontastic gelaufen ist. Das Unternehmen war zwar in Münster gemeldet, aber im Grunde wart ihr doch überall zu Hause?

Wir waren überall zu Hause, aber der Ursprung ist eigentlich in Münster. Thomas Gottheil, der Mitgründer, der die Idee zu Frontastic aus seiner Agentur entwickelt hat, war damals Münsteraner, genau wie ich. Thomas hat dann noch drei weitere Tech-Gründer gefunden, die im Ruhrgebiet wohnten. Gemeinsam haben wir uns die Frage gestellt: Wo wollen wir unser Büro haben? Wir hatten auch schon etwas Erfahrung mit räumlich verteilter Zusammenarbeit. Ich habe das dann irgendwann forciert. Warum ist dieser „Default Büro“ eigentlich richtig? Geht es nicht auch ohne? Wir haben dann sehr intensiv das Hub-Netzwerk für die Zusammenarbeit genutzt, sowohl in Münster als auch im RuhrHub in Essen, weil es zu Beginn extrem wichtig ist, sich persönlich zu treffen und auch in einem gemeinsamen Raum zu arbeiten.

Das Unternehmen ist relativ schnell erfolgreich geworden. Wie ging es weiter mit der Entwicklung?

Das hat auch wieder einen Bezug zu Münster, denn Aschendorff Next war unser erster Investor. Es gab damals ein Henne-Ei-Problem. Wir haben zeitgleich am ersten Investor und am ersten Kunden gearbeitet. Und jeweils der eine wollte nicht ohne den anderen mit uns zusammenarbeiten. Irgendwann konnten wir dann diesen gordischen Knoten durchschlagen. Ab dann lief es gut, wir haben die ersten Mitarbeiter dazu geholt und es ging relativ flott aufwärts.

Ein wichtiger Begriff ist die „Non-Parental-Culture“. Wir haben zum Beispiel auch den Leuten [...] gesagt: Kauft euch einen Rechner. Das ist nicht unser Job. Ihr sucht euch das aus. Ihr müsst das Ding sowieso später selbst pflegen. Deswegen ist es Non-Parental: Kümmert euch selbst drum!

Wie funktioniert denn das Onboarding von neuen Mitarbeitern in so einer Remote-Organisation?

Es braucht jemanden "ganz oben" im Team, der oder die gut organisiert ist. Wichtig war uns, dass immer von Anfang an klar ist, was in den ersten Tagen passiert. Da gab es 1:1 Meetings aber vieles lief auch asynchron, also schriftlich. Es gab gesammelte Informationen über die Organisation - die Aufgaben und Ziele, unsere Werte usw. - in dem Tool "Notion" zu lesen. Wir haben nicht die ganze Zeit in Zoom-Meetings gehangen - das wäre ja die Hölle. Ein wichtiger Begriff ist die „Non-Parental-Culture“. Wir haben zum Beispiel auch den Leuten vor Beginn schon eine virtuelle Kreditkarte gegeben und gesagt: Kauft euch einen Rechner. Das ist nicht unser Job. Ihr sucht euch das aus. Ihr müsst das Ding sowieso später selbst pflegen. Deswegen ist es Non-Parental: Kümmert euch selbst darum! Wir hatten eine Async-First-Kultur, d.h. Meetings wurden so weit wie möglich vermieden. Mit allen haben wir uns persönlich nur für ein Retreat im Jahr getroffen. Das war aber dann auch fünf Tage lang und hatte den singulären Fokus auf Socializing. Unabhängig davon konnten sich die Teams auch öfter treffen, denn persönliche Treffen sind wichtig und oft auch notwendig, weil effizienter. Auf diese Weise konnten wir relativ schmerzfrei von 5 auf 40 Teammitglieder skalieren – in 21 Ländern!

Frontastic zu verkaufen war aber keine leichte Entscheidung. Wir hätten das gerne auch weitergetrieben.

Von der Gründung bis zum Exit an commercetools hat es bei euch nur fünf Jahre gedauert. Wie kam es zum Deal?

Wir haben schon vor Frontastic in unseren vorherigen Tätigkeiten mit commercetools zusammengearbeitet, kannten uns also auf persönlicher Ebene schon seit vielen Jahren. Bei Frontastic haben wir mit vielen E-Commerce Herstellern als Partner zusammengearbeitet; Shopify, Shopware, Scayle, Spryker, doch commercetools war unser größter Partner. Das wir einmal an commercetools verkaufen, war aber nicht geplant. Wir kannten die Leute von commercetools sehr gut und sie waren in ihrer Entwicklung schon weiter – sie waren ein sogenanntes Unicorn (Anm. d. Red.: Unternehmensbewertung von über 1 Mrd. US Dollar) mit knapp 500 Mitarbeitenden. Wir waren nur 40 Personen im Team und gerade in unserer Series A Finanzierungsrunde. So haben wir auch oft miteinander gesprochen und uns Tipps geholt. Und dann machte Dirk Hörig, Gründer und Geschäftsführer von commercetools, den Vorschlag, gemeinsam weiterzumachen. Denn er hatte auf der anderen Seite von seinen Kunden gehört, dass sie froh wären, wenn sie ein bisschen mehr aus einer Hand bekommen würden - also nicht nur ein E-Commerce-System mit der API, sondern auch das Frontend zur API. Frontastic zu verkaufen war aber keine leichte Entscheidung. Wir hätten das gerne auch weitergetrieben.

Seitdem ist der E-Commerce Markt für Startups ziemlich unter Druck geraten. Wie siehst du die Marktposition von commercetools?

Ich denke, commercetools ist extrem gut aufgestellt und ich glaube auch nach wie vor an den API-First-Ansatz. Obwohl sie jetzt mit Frontastic ein System mehr beinhalten, sind sie vollkommen offen. Das wird weiter funktionieren.

Jetzt hast du dich mit deinem Mitgründer Thomas wieder zusammengetan und investierst selbst in Startups. Was macht ihr mit goodgrow genau und nach welchen Startups schaut ihr euch insbesondere um? Habt ihr einen Fokus auf E-Commerce oder weitet ihr euren Blick?

Mit goodgrow wollen wir etwas Sinnvolles tun. Insgesamt sind wir zu dritt und in unseren Skills sehr divers aufgestellt. Zu Beginn haben wir u.a. in den World Fund und Planet A investiert und hatten dann den Wunsch, ein bisschen mehr zu machen und wieder aktiver zu werden. Also haben wir uns entschieden, in Impact Startups zu investieren. Ziemlich bald haben wir gemerkt, dass “Impact” so ziemlich alles ist. Deswegen sind wir noch spezifischer geworden und haben uns auf die Bereiche Klima, Ressourcen und Abfallvermeidung fokussiert.

Ich würde mir [...] für das regionale Netzwerk wünschen, dass auch ganz unterschiedliche Charaktere zusammenkommen, über Startups sprechen und sie unterstützen.

Welchen Wert hat es für dich, Teil des eines Startup-Ökosystems in Münster zu sein? Und was fehlt dir noch, um hier weiter voranzukommen?

Nach all den Ausflügen in die internationale Welt finde ich es jetzt auch schön, ein regionales Netzwerk zu haben. Ich würde mir wünschen, dass das Business Angel Netzwerk im Münsterland noch größer wird - mit Angels aus möglichst vielen verschiedenen Bereichen. Denn dann kann man mit unterschiedlichen Blickwinkeln auf ein Startup schauen. Das ist auch das Spannende an goodgrow. Wir haben zwar einen ähnlichen Hintergrund, aber wir haben ganz unterschiedliche Charaktere und Skills. Und das würde ich mir auch für das regionale Netzwerk wünschen, dass auch hier ganz unterschiedliche Charaktere zusammenkommen, über Startups sprechen und sie unterstützen. Noch einmal zurück zum Anfang: Ich habe noch nie in meinem Leben so viel gelernt, wie in den fünf Jahren Frontastic. Viele Startups, die etwas weiter waren als wir, haben uns beim Wachsen geholfen. Das war eine tolle Erfahrung. Und ich möchte jetzt gerne jungen Unternehmerinnen und Unternehmern helfen, ihre Unternehmen zu skalieren. Das ist der Grund, warum ich mich hier in Münster engagiere.

Story verfasst von
Sebastian Köffer

Sebastian Köffer

Geschäftsführer / CEO
Events Startups
Techies

14.02.2024