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CIO Katja Kümmel über Digitalisierung und Innovation im Gesundheitssektor

 Katja Kümmel mit den weiteren Mitgliedern des Aufsichtsrats des münsterLAND.digital e.V. Als einzige Frau unter Männern - für Katja im IT-Bereich keine Seltenheit.
Katja Kümmel mit den weiteren Mitgliedern des Aufsichtsrats des münsterLAND.digital e.V. Als einzige Frau unter Männern - für Katja im IT-Bereich keine Seltenheit.
Bild: Thomas Mohn Photography / Digital Hub münsterLAND

Katja Kümmel, CIO am Uniklinikum Münster, treibt die digitale Entwicklung im Gesundheitssektor mit Fokus auf Innovation, Flexibilität und durch Kooperationen mit Startups voran. Was es für die Zukunftsfähigkeit der Branche braucht und wie ihr Vorbilder und Netzwerk in ihrer Karriere geholfen haben.

Seit vierzehn Jahren steht Katja Kümmel an der Spitze des Geschäftsbereichs IT des Universitätsklinikums Münster (UKM). Als Chief Information Officer (CIO) hat sie nicht nur die digitale Landschaft des UKM maßgeblich geprägt, sondern auch eine Vorreiterrolle in der Förderung von Innovation und Digitalisierung im Gesundheitswesen eingenommen.

Ihre Laufbahn am UKM begann vor einem Jahrzehnt, als sie die Leitung des IT-Bereichs übernahm. Im Laufe der Jahre entwickelte sie nicht nur den Geschäftsbereich IT weiter, sondern gründete auch die Tochtergesellschaft UKM Management Solutions GmbH (UKM MS), die sich neben Projektmanagement auch um innovative Digitallösungen im Gesundheitswesen kümmert. Der Digital Healthcare Hub (dhh), ein wesentlicher Teil der Tochtergesellschaft, .

Mit einem Team von rund 120 Mitarbeitenden, aufgeteilt in vier Abteilungen, hat Katja Kümmel eine umfangreiche interne Infrastruktur geschaffen, die es dem UKM ermöglicht, fast alle IT-Belange intern zu betreuen. Von der Administration der klinischen Systeme bis hin zum Betrieb der Rechenzentren liegt die Verantwortung größtenteils in den Händen ihres Teams.

Ein Kernstück der Innovationstätigkeit am UKM ist der Digital Healthcare Hub, der sich darauf konzentriert, interne und externe Netzwerke aufzubauen, innovative Digitallösungen zu erforschen und damit als Motor für die Einführung neuer digitaler Lösungen am UKM fungiert. Durch die Schaffung von Expertisekreisen und die Teilnahme an Konferenzen und Kongressen ist das Team stets über die neuesten Entwicklungen im Bereich der Gesundheitstechnologie informiert. Das Screening von Innovationen und Trends erfolgt flexibel: “Wir haben das nicht allzu stark in entsprechende Strukturen und Prozesse gegossen, um die Kreativität nicht zu behindern“, sagt Katja. „Die Expertisekreise – meistens bestehend aus höchstens zehn Personen – setzen ihre eigenen Ziele und befassen sich entsprechend autark mit dem Thema“.

Die UKM MS wird intern, laut Katja, etwas scherzhaft als „die Schweiz“ bezeichnet. „Sie ist neutral und hängt nicht an einer Bereichsleitung. Sie muss keinen nach- oder vorgelagerten Interessen einer einzelnen Organisationseinheit, z.B. des GB IT, nachgehen.“ Mittlerweile befasst sich die UKM MS nicht mehr nur mit IT-Projekten, sondern auch mit Prozessorganisation und Change-Management.

Die Leute müssen autark agieren können und ich als Führungskraft muss entsprechend loslassen, um Kreativität zu ermöglichen.

Vieles stehe und falle mit den Menschen: „Der Mitarbeiter, aus dessen Initiative eigentlich der dhh entstand, ist selbst an Innovationen interessiert und hat eine starke intrinsische Motivation, sich damit zu befassen.“ Ihre Mitarbeitenden müssten und könnten selbstständig agieren. „Ich könnte mir Mikromanagement gar nicht leisten. Dann würde ich vieles andere nicht mehr schaffen und strategisch und themenübergreifend nicht mehr mitdenken können“.

Ihre Leute müssten autark agieren können, sie als Führungskraft müsse loslassen, um Kreativität zu ermöglichen. „Ich persönlich in meiner Rolle als CIO genieße auch einen großen Spielraum und Entscheidungsfreiheit. Aber man muss seine Rolle auch aktiv gestalten wollen.“ Für Katja funktioniert dieses Rollenverständnis, sie ist bereits seit 14 Jahren CIO des UKM.

Eine der größten Herausforderungen bei der Umsetzung von Innovationsprojekten im Gesundheitswesen ist die Einhaltung strenger Datenschutzstandards. Hier setzt das UKM auf eine klare Trennung der Verantwortlichkeiten zwischen dem Digital Healthcare Hub, der die Lösungen identifiziert und empfiehlt, und dem Geschäftsbereich IT, der für deren Implementierung verantwortlich ist. Durch etablierte Projektmanagement-Methoden und ein strukturiertes Vorgehen gewährleistet Katja Kümmel, dass Projekte effizient und unter Einhaltung aller Vorschriften durchgeführt werden – in der operativen Umsetzung auch in etwas starreren Bahnen als im Innovationsscouting.

„Bei allen Systemen, die nach der Innovationsphase im Geschäftsbereich IT ankommen und implementiert werden sollen, haben wir natürlich wesentlich strengere Vorgaben. Wir haben hier schon vor vielen Jahren ein Projektmanagement etabliert, bei dem zunächst das Projektteam festgelegt wird, auch mit Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Bereichen. Es gibt immer einen technischen und einen fachlichen Projektleiter im Tandem. Dann legen wir eine Vorgehensweise für unsere Projekte fest. Das kann das Wasserfallmodell sein – was manchmal immer noch das richtige Modell ist – oder es können agilere Methoden sein. Auch zeitliche und finanzielle Aspekte legen wir in einem Projektsteckbrief fest, der als internes Vertragsdokument dient.“

Es macht Spaß, hin und wieder aus der manchmal starren Atmosphäre eines Klinikkonzerns in eine andere Umgebung zu wechseln, um den eigenen Geist wieder für innovative Ideen und neue Ansätze zu öffnen.

Abseits ihrer Rolle am UKM engagiert sich Katja Kümmel auch als Aufsichtsrätin beim münsterLAND.digital e.V., wo sie ihre Expertise und ihre Leidenschaft für digitale Innovationen einbringt. Durch ihre Zusammenarbeit mit Startups und ihre Unterstützung von diversen Initiativen trägt sie dazu bei, die digitale Wirtschaft in der Region zu stärken und zukunftsweisende Projekte voranzutreiben.

„Ich engagiere mich sehr gerne im Umfeld des Digital Hubs. Es macht Spaß, hin und wieder aus der manchmal starren Atmosphäre eines Klinikkonzerns in eine andere Umgebung zu wechseln, um den eigenen Geist wieder für innovative Ideen und neue Ansätze zu öffnen. Außerdem nutze ich die Aufgabe als Plattform und mache das UKM als innovatives und interessantes Unternehmen und Arbeitgeber bekannt“.

Die Kooperation mit Startups spielt für das UKM seit einigen Jahren eine wichtige Rolle und bietet Impulse zum Umdenken, zur Weiterentwicklung und Innovation. „Wir wiederum können die Startups mit unseren Ressourcen, Arbeitsmitteln, Aufgaben und fachlichem Input unterstützen.“ So haben Katja und eine Kollegin aus der UKM-Stabsstelle Portfoliomanagement gemeinsam mit Lena Frommer und dem Team von innnow die Inhalte der App des Startups erarbeitet. Innnow ist ein webbasiertes Tool, das IT-Entscheidern und -Entscheiderinnen im Krankenhaus die Priorisierung und Evaluierung digitaler Lösungen ermöglicht. Auch OpenEDC, eine Softwarelösung für klinische Studien, wurde durch die UKM MS unterstützt und begleitet.

Ich war 19 und hatte noch nie einen Computer gesehen. Meine Aufgabe in den ersten Wochen war es, den ganzen Tag strukturiert Daten zu erfassen. Andere fanden das langweilig – ich war begeistert.

Im Vergleich zu heute war zu Beginn von Katjas Karriere noch nicht viel die Rede von Startups und digitalen Technologien. Sie startete ihre Laufbahn als eine der ersten Auszubildenden zur Datenverarbeitungskauffrau beim Damenoberbekleidungshersteller Schneberger in Münster: „Das war damals total neu. Ich war 19 und hatte noch nie einen Computer gesehen. Meine Aufgabe in den ersten Wochen war es, den ganzen Tag strukturiert Daten zu erfassen. Andere fanden das langweilig – ich war begeistert.“ Ob es ungewöhnlich war, dass sie als junge Frau diesen Beruf wählte? „Schneberger wollten unbedingt einen männlichen und eine weibliche Azubi für die Stelle. Es gab viele ‚Nerds‘, die diese Ausbildung wählten. Vielleicht war das sogar mein Vorteil, kein klassischer ‚Nerd‘ zu sein? Diversität war bei Schneberger damals tatsächlich schon Thema. Ich behaupte aber, dass es nicht nur daran lag, dass ich genommen wurde “, erinnert sie sich.

Katja selbst sagt, dass sie oft gerade aufgrund ihres Geschlechts eingestellt und wegen „weiblicher“ Charakteristika geschätzt wurde. Sie konnte aber auch Unterschiede im Umgang zwischen sich und männlichen Kollegen spüren. Ihr selbst ist Diversität im Team – nicht nur mit Blick auf das Geschlecht – daher wichtig: „Leider bewerben sich auch heute immer noch hauptsächlich Männer. Der Anteil an Frauen in den Studiengängen und Ausbildungsbereichen ist leider immer noch sehr niedrig. In der UKM MS haben wir dagegen fast nur Frauen in der Projektleitung“. Auch wenn sie glaubt, dass sich die Situation langsam verbessert, sieht sie immer noch Hindernisse für und Vorurteile gegenüber Frauen in Tech-Berufen, die es zu überwinden gelte.

Auf die Frage, welche persönlichen Erfolge und Learnings sie aus ihrer langjährigen Erfahrung mitbringe, erklärt Katja, dass sie viele Chancen ergriffen habe und oft von Personen unterstützt wurde, die sie in guter Erinnerung behalten hätten. Insgesamt betont sie die Bedeutung von Autonomie, Innovation und Netzwerken für persönliches Wachstum. Auch Vorbilder haben sie inspiriert: „Ich erinnere mich an eine IT-Beraterin aus dem Finanzbereich. Ihr ganzer Habitus, ihre Souveränität – auch ihr Sportwagen und ihre roten Fingernägel – aber vor allem, ihre Expertise und wie sie jede fachliche Frage selbstbewusst beantworten konnte. So wollte ich damals sein.“ Es gab im Laufe meines beruflichen Weges mehrere Leute, bei denen ich dachte: Das möchte ich auch können, diese Position möchte ich haben. Aber ohne an dem jeweiligen Stuhl zu sägen.“

Ich behaupte, dass wir - also IT-Entscheider - mit unseren erfahrenen Teams, diejenigen sind, die wissen, wie es läuft und wie es laufen muss. Mehr Flexibilisierung und viel mehr Agilität, das wünsche ich mir.

Heute, aus Perspektive ihrer Position als CIO am UKM, blickt sie positiv auf den Fortschritt in ihrer Branche. Aber wie sieht sie ihre Arbeit in 10 Jahren? „Es wird sehr viele Umstrukturierungen geben, sowohl technologisch als auch innerhalb der Organisation, durch Automatisierung und KI. Aus Datenschutzgründen speichern wir auch virtuelle Patienteninformationen noch in Servern auf dem Gelände. Wir werden in Zukunft externe Rechenkapazitäten nutzen und in die Cloud migrieren“, erklärt sie. In Bezug auf die Digitalisierung im Gesundheitssektor wünscht sie sich, abseits von technologischem Fortschritt, vor allem eine größere Flexibilität in der Finanzierung. IT-Verantwortliche sollten mehr Einfluss und Gestaltungsmöglichkeiten haben, auch in Bezug auf finanzielle Mittel, damit sich Krankenhäuser und Arztpraxen schneller an sich ändernde Anforderungen anpassen könnten: „Ich behaupte, dass wir - also IT-Entscheider - mit unseren erfahrenen Teams, diejenigen sind, die wissen, wie es läuft und wie es laufen muss. Mehr Flexibilisierung und viel mehr Agilität, das wünsche ich mir“.

Story verfasst von
Marie Lechtenberg

Marie Lechtenberg

Marketing Managerin
Events PublicRelations
SocialMedia

14.05.2024