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Chris Hoeynck ist Enabler und zum Glück Startup-Doktor, anstatt im OP

 Chris Hoeynck (2. v.l.) im Gespräch mit Startups
Chris Hoeynck (2. v.l.) im Gespräch mit Startups
Bild: Digital Hub münsterLAND / Thomas Mohn

Münster findet er als Gründungsstandort nicht außergewöhnlich. In der Hub-Community engagiert er sich dennoch gerne: Als Mentor und Berater für Gründende, Unternehmerinnen und Unternehmer. Uns erzählt er, welche Eigenschaften gute Gründende und auch gute Mentorinnen und Mentoren ausmachen.

Lieber Chris, stell dich doch zuerst einmal der Community vor. Wer bist du und was machst du? 

Mach ich gerne. Mein Name ist Chris Hoeynck - eigentlich Christoph, aber man nennt mich Chris. Ich komme gebürtig nicht aus Münster, habe aber hier Abitur gemacht und bin dann in die Welt gegangen. Nach meiner Ausbildung wollte ich studieren, habe aber für Medizin keinen Studienplatz bekommen und dann entschieden, etwas ganz anderes zu machen. Heute bin ich recht froh, dass ich nicht im OP-Saal stehe, sondern mit jungen Menschen arbeiten kann.

Ich habe lange für mittelständische, Inhaber geführte Unternehmen gearbeitet und mich nach 20 Jahren entschieden, nochmal etwas Neues zu beginnen. Ich habe alles erlebt, was man mit Familienunternehmen erleben kann, habe viel gelernt und wollte dann schließlich auf die andere Seite - seitdem berate ich Unternehmerinnen und Unternehmer. Zunächst habe ich bei einer kleinen Beratungsfirma mit fünf Partnern in München angefangen. Zusammen mit einem der zwei Inhaber habe ich mir nach einiger Zeit die Frage gestellt, ob wir nicht eine Plattform entwickeln können für Menschen wie mich, die mit Anfang 50 aus ihrer klassischen Karriere aussteigen und sich sagen: “Ich habe keinen goldenen Handshake bekommen, ich brauche ein Team, in dem ich mich wohlfühle und mit dem ich anderen Unternehmen ein Angebot machen kann“.

Nun arbeitest du ja auch mit jungen Startups zusammen. Wie organisiert sich diese Arbeit?

Junge Gründerinnen und Gründer sind und handeln anders, als erfahrene Unternehmer und Unternehmerinnen. Um sie beraten zu können, braucht man unterschiedliche Personas. Heute sind wir immer noch sieben Equity Partner, aber knapp 30 Associate Partner. Dadurch haben wir eine hohe Kompetenz in ziemlich vielen Themen. Besonders stark sind wir in Finanzthemen, speziell M&A und Fundraising.

Worauf fokussierst du dich speziell? 

Lass mich etwas ausholen. Wir waren 2016 bereits vier Partner in Münster. Klar war, dass wir hier ein Büro brauchen, also kam ich nach Münster. Ich musste mich dann erstmal finden und sehen, was ich am besten hier einbringen kann. Zum einen kann ich gut mit Menschen umgehen und ich sehe, wo etwas passieren muss, damit etwas nach vorne gebracht werden kann. Ich würde sagen: Ich bin Enabler.

Spätestens der Eintritt in die Community des Digital Hub münsterLAND hat mir ermöglicht, meinem Drang, mich mit jungen Leuten auseinanderzusetzen, gerecht zu werden. Die große Chance hierbei ist die Gegenseitigkeit. Ich kann sie an meiner Erfahrung teilhaben lassen und sie können mir „Training für den Kopf“ geben, indem sie mich ständig fordern. Sei es mit neuen Technologien, schnell zu sein, jung zu sein oder anders zu denken. Und genau das ist der größte Reiz. Deswegen engagiere ich mich als Mentor.

Spätestens der Eintritt in die Community des Digital Hub münsterLAND hat mir ermöglicht, meinen Drang, mich mit jungen Leuten auseinanderzusetzen, gerecht zu werden. Die große Chance hierbei ist die Gegenseitigkeit. Ich kann sie an meiner Erfahrung teilhaben lassen und sie können mir „Training für den Kopf“ geben, indem sie mich ständig fordern.

Passend zu diesem Engagement und dem Austausch mit jungen Gründern und Gründerinnen können wir bei Pulsar Consulting mit einigen Kollegen bei Themen wie M&A und Fundraising für Startups unterstützen. Hier würde ich aber unterscheiden zwischen dem Fokus, den wir mit der Beratung haben, und meiner Arbeit als Mentor. Ich persönlich bin eher Sparringspartner, für entweder Gründer oder den klassischen Geschäftsführer. Klassische Unternehmensberatung mache ich eher wenig. Mein Fokus liegt auf der Unternehmer-Beratung. Es hat immer mit den individuellen Bedürfnissen des Unternehmers zu tun.

Spielen auch die Herausforderungen der digitalen Transformation eine Rolle bei den Unternehmern?

Natürlich. Digitalisierung ist zwar nicht das zentrale Thema. Aber es ist ein Thema, das so langsam häufiger relevant ist. Ein Vorteil meiner Zusammenarbeit mit Startups ist, dass ich die Teams bei der Arbeit mit Unternehmern und Gründern dazu holen kann, wenn ich erkenne, dass Bedürfnisse der einen Seite durch die Lösung des Startups abgebildet werden. So kann zum Beispiel gemeinsam an einem Piloten gearbeitet werden. Oder Unternehmen können Perspektiven zur Weiterentwicklung aufgezeigt bekommen.

Ich muss ehrlich sagen, dass das aber erst langsam zunimmt. Das Bedürfnis, sich in diesem Bereich zu entwickeln und auch die Erkenntnis der Dringlichkeit sind noch wenig ausgeprägt. Häufig wird eher gefragt: „Kannst du uns in der Digitalisierung beraten?“. Wenn wir dann fragen „worin denn genau?“ wird gesagt: „Ja, Digitalisierung eben“. Festzustellen, was für Themen dann spezifisch gemeint und wichtig sind - ob beispielsweise die Produktion, interne Prozesse oder anderes – das ist noch schwierig für mittelständische Unternehmen.

Vor allem in der Kooperation mit Startups sollten die Sinnhaftigkeit und der Grund der Zusammenarbeit festgelegt werden. Einfach zu sagen: „Tolle Idee, ich beteilige mich jetzt an dem Startup“, ist nicht zielführend, wenn keine wirklichen Synergien mit dem Unternehmen vorhanden sind. Das gilt für die Konzerne genauso, die Startups kaufen, es aber nicht schaffen, sie zur Performance zu bringen.

Vor allem in der Kooperation mit Startups sollte die Sinnhaftigkeit und der Grund der Zusammenarbeit festgelegt werden.

Was sind für dich die entscheidenden Soft Skills, die Gründende haben müssen, um erfolgreich zu werden?

Ich fokussiere mich mal auf drei Skills.

Erstens sollte nicht der Exit das Motiv sein, um ein Unternehmen zu gründen. Das ist nicht so einfach. Viele Startups sind, auch, weil die Gründerinnen und Gründer meist jung sind, Exit-getrieben. Bei den meisten Startups - gerade Tech Startups - ist der Treiber also das Geld. Das ist ein potenziell großes Problem. Das muss es nicht sein. Aber der Fokus ist erstmal nicht richtig, denn Geld lenkt häufig von den richtigen Entscheidungen ab.

Das Zweite, was ganz entscheidend ist, ist das passende Team. Sind die Gründenden teamfähig und bildet ihr Team die wichtigen Kompetenzen ab? Ist der Gründer oder die Gründerin in der Lage, sich die richtigen Leute für die Aufgaben zu suchen? Das ist für junge Menschen nicht immer einfach, weil sie meist keine Erfahrungen haben. Stellen sie nach Qualitäten ein, und nicht nach reiner Sympathie? Ergänzen die Teammitglieder die Fähigkeiten der Gründerin oder des Gründers? 

Drittens: Sind sie in der Lage, den grundsätzlichen Herausforderungen kompetent zu begegnen? Also einen vernünftigen Business Plan aufzustellen? All das, was zum Beispiel wichtig ist für einen ersten Investor, einen ersten Business Angel. Sind sie beratungsoffen? Das sind nicht alle Startups. Das ist aber aus meiner Sicht ein ganz wesentlicher Faktor. Leider sind Fehleinschätzungen nicht selten. Manche Startups sind zum Beispiel zu früh für Investments offen, wenn jemand „Großes“ anklopft. Dann erfordert es Mut, zuzugeben, noch nicht so weit zu sein.

Es gibt noch eine vierte Eigenschaft, die ich auch für sehr wichtig halte. Haben die Gründenden geprüft, ob das, was sie tun, nicht nur aus ihrer Sicht ein Need ist? Oder ist es nur ein „Nice to have“? Das fällt vielen schwer, weil sie so in die Details ihrer Entwicklung vertieft sind. Hier macht es auch Sinn, Synergien zu anderen Gründungsvorhaben zu erkennen. Tut euch zusammen, bündelt die Kräfte. Manchen sage ich auch ganz offen: Macht euch keine Illusionen, das Ding werdet ihr nicht stemmen, solange es keine Nische gibt, die durch die Lösung gefüllt werden kann.

Leider sind Fehleinschätzungen nicht selten. Manche Startups sind zum Beispiel zu früh für Investments offen, wenn jemand „Großes“ anklopft. Dann erfordert es Mut, zuzugeben, noch nicht so weit zu sein.

Aber Klartext von einem Experten, das ist, glaube ich, ein sehr, sehr wichtiges Feedback. Und dafür sind die Mentorinnen und Mentoren ja auch da.

Ja. Das erfordert auch einen sehr genauen Blick. Es ist wichtig, die richtigen Zusagen zu machen und die richtigen Fragen zu stellen. Da muss man sehr, sehr genau hinschauen. Dazu gehört auch, dass, wenn man Ratschläge gibt, auch das Angebot macht, zu unterstützen.

Wenn ich beispielsweise Teams empfehle, wie sie auf C-Level zugehen, ist das Wichtige aufzuzeigen, wie sie dort hinkommen. Wie stellt ihr den Kontakt her? Das ist eine Mechanik, die man lernen kann. Das klappt zwar nicht immer und bei jedem, auch bei mir nicht. Aber die Methodik, wie man dahin kommt, ist erstmal wichtig. Dabei helfe ich Startups gerne, auch mit meinen eigenen Kontakten.

Was macht deiner Meinung nach den Standort Münster einzigartig für die Gründerszene?

Auf den ersten Blick bietet Münster viel Potenzial. Es gibt eine riesige Universität mit rund 60.000 Studierenden. Da müsste es doch viel Gründungsaktivität geben. Wir sehen aber beim REACH Euregio Start-up Center der WWU, welche Schwierigkeiten es dabei gibt. Es ist eben nicht so einfach, wie es scheint. Auch im Digital Hub gibt es nicht den Ansturm, auf den man in so einer „jungen“ Stadt hoffen könnte. Diese Erfahrung machen aber nicht nur Gründungsinstitutionen im Münsterland, sondern auch in anderen Regionen.

Ich glaube, das hat etwas mit der Größe der Stadt zu tun. Es ist in den Metropolen einfacher. Aus drei Gründen. Erstens ist eine erfolgreiche Gründungsszene ein Mengenthema. Da gibt es in Münster noch nicht genug. Dann sind es Anwendungsthemen. In Großstädten gibt es mehr unterschiedliche Fakultäten an verschiedenen Universitäten, es gibt viele Unternehmen und große Firmen, die Potenzial haben, sich über Universitäten an Startups zu beteiligen oder zumindest Gelder zu geben. Geld ist ein weiteres Problem.

Grundsätzlich braucht es überhaupt eine „Startup-Mentalität“. Das ist auch ein deutsches Problem. Wir sind keine Gründungs-Nation im Sinne von „Startup gründen“. Der Wohlstand des Landes kommt durch Ingenieurinnen und Ingenieure, die Unternehmen gründeten. Da gab es eine lange, sehr gute Entwicklung. Jetzt sehen wir, wie schwer sich Unternehmen bei der Digitalisierung tun. Andere Länder sind da viel schneller, viel beweglicher und benchmarken viel. Das fehlt hier sehr.

Zurück zu deiner Frage: Münster ist ein guter Gründungsstandort. Aber ich kann nichts erkennen, was ihn besonders macht für Startups. Es ist toll, dass wir hier gute Institutionen haben. Aber der Standort ist für mich nicht einzigartig. Wir sind im Münsterland eben auch relativ konservativ. Das ist nicht zwangsläufig eine Hürde, aber es macht es nicht einfach.

Grundsätzlich braucht es überhaupt eine „Startup-Mentalität“. Das ist auch ein deutsches Problem. Wir sind keine Gründungs-Nation im Sinne von „Startup gründen“.

Gibt es etwas, das du den Lesern und Leserinnen noch mitgeben möchtest?

Das ist kein klassischer Berater-Hinweis, das ist eher ein Coaching Hinweis. Besonders jungen Menschen möchte ich raten, auf euch selbst und eure Teammitglieder zu achten. Und mit „achten“ meine ich auch „Achtung“. Also achtet euch selbst und achtet euch untereinander. Menschliche Wertschätzung ist ein wesentlicher Punkt, der leider sehr schnell verloren geht. Und: Fokussiert euch auf den Moment. Alles andere könnt ihr sowieso nicht verändern. Nur den Moment.

Und: Fokussiert euch auf den Moment. Alles andere könnt ihr sowieso nicht verändern. Nur den Moment.

Vielen Dank, Chris! Für das Gespräch und dein Engagement in der Hub-Community. Wir bekommen häufig die Rückmeldung, dass du den Gründenden sehr viel hilfst. Es freut uns sehr, dass du da so umfassend unterstützt und immer da bist.

Danke für die Wertschätzung.  

Story verfasst von
Linda Witzel

Linda Witzel

Projekt Managerin
Events Startups
Stories

11.07.2023