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Amelie Wolfgart: Mentorin mit langer Erfahrung im Ökosystem Münster

 Amelie Wolfgart sieht es als ihre Aufgabe, zum Münsteraner Gründungsökosystem beizutragen.
Amelie Wolfgart sieht es als ihre Aufgabe, zum Münsteraner Gründungsökosystem beizutragen.

Man kann sie sicher als leidenschaftliche Insiderin der lokalen Gründungsszene bezeichnen. Im Interview gibt Startup Mentorin Amelie Wolfgart Einblicke in die Entwicklung des Münsteraner Gründungsökosystems und ihre vielfältigen Stationen bis zur eigenen Gründung.

Liebe Amelie, wie hast du den Weg nach Münster gefunden?

Eher wiedergefunden, denn ich bin in Münster geboren. Während meines Studiums in Frankfurt habe ich gehört, dass sich in meiner alten Heimatstadt langsam eine Gründungsszene entwickelt. Ich war damals im Dachverband studentischer Gründungsinitiativen, dem Gründermagnet. Dort wurden wir von Mihai Melonari und Maximilian Spelmeyer angesprochen, die uns nach Tipps für den Aufbau einer studentischen Gründungsinitiative gefragt haben. Gerne haben wir sie unterstützend beraten, auch wenn ich zu der Zeit nicht in Münster wohnte.

Mit dem Gründermagnet haben wir im DACH-Raum an über 20 anderen Hochschulen die Entwicklung und den Aufbau solcher Initiativen begleitet und ich selbst habe damals die Gründungsinitiative in Frankfurt geleitet. Am Anfang ging es mit Mihai und Max um Fragen wie: Welche Veranstaltungsformate funktionieren? Welche thematischen Schwerpunkte können wir setzen? Mit welchen anderen Organisationen können wir uns vernetzen? Das war mein erster Berührungspunkt 2015 mit der Gründungsszene in Münster.

2017 bin ich dann für mein Masterstudium nach Münster zurückgekehrt und direkt in den Venture Club Münster eingestiegen. Zu dieser Zeit wurde auch der Digital Hub gegründet und es wurde klar, dass in Münster ein größeres Startup-Ökosystem entstehen wird. So habe ich angefangen, mich auch hier in der Community über Netzwerkveranstaltungen zu engagieren.

Du warst also von Anfang an Teil des Ökosystems. Du hast dich auch in deiner Masterarbeit damit beschäftigt?

Genau. Ich habe gemerkt, dass damals vieles im Aufbau war. Es gab viele einzelne Akteure, die sich engagiert haben. Neben dem damals noch jungen Digital Hub zum Beispiel auch die IHK und die Wirtschaftsförderung. Als dann die Förderung für das REACH Euregio Startup-Center bekannt wurde, habe ich mich entschlossen, mich in meiner Masterarbeit mit dem regionalen Ökosystem zu beschäftigen, um es tiefergehend zu verstehen und auch mögliche Implikationen für die Zukunft mitgestalten zu können. Zu der Zeit war ich auch viel in Bielefeld unterwegs und habe gesehen, dass dort - schon relativ zentralisiert und institutionalisiert durch die Founders Foundation - sehr viel vorangetrieben wird. Der Blick auf Münster war dagegen noch sehr verstreut.

Wie bist du dann Teil der Hub-Community geworden?

Nach dem Master wollte ich Erfahrungen sammeln und habe zunächst bei einer Digitalberatung für Corporate Company Building angefangen. Ein eigenes Startup zu gründen, bot sich damals nicht an, da ich weder eine Idee noch ein Team hatte. Nach dem kurzen Abstecher in der Beratung bin ich über mein Netzwerk in Kontakt zu einem Spin-Off aus dem BASF-Inkubator in Mannheim gekommen. Ende 2019 habe ich dann bei Sustragil angefangen. Wie der Zufall es wollte, waren meine Mitgründer zuvor Angestellte der BASF Coatings. So arbeiteten wir zusammen in Münster im Digital Hub. 2021 mussten wir unser Vorhaben leider einstellen und ich bin in die Digital Incubation Unit (DIU) der BASF Coatings gewechselt, die ebenfalls ein Büro im Digital Hub angemietet hat.

Das aktive Engagement in der Community hat sich parallel zu meiner Rückkehr nach Münster entwickelt, auch weil ich dann natürlich vor Ort war. Zunächst durch die Teilnahme an Veranstaltungen, Moderationen im Zuge der Gründungswoche, oder durch einen Pitch bei der Startup-Night im Hub mit Sustragil. Als Mentorin engagiere ich mich seit Beginn meiner Tätigkeit an der DIU. Die BASF Coatings ist Fördermitglied des Digital Hub münsterLAND und die DIU als digitale Innovationseinheit hat natürlich den Anspruch, sich hier im Ökosystem aktiv einzubringen. Da war es naheliegend, dass ich als jemand, der bereits den Kontakt zur Community und Erfahrung im Aufbau von Gründungsnetzwerken hat, als Mentorin mit den Accelerator-Startups zusammenarbeite.

Mich faszinieren die unterschiedlichen Themen und die begeisterten Menschen, die versuchen, etwas Neues zu schaffen und unendlich neugierig sind. [...] Jeder hat seine Rolle im Ökosystem und ich sehe es als meine Aufgabe, dazu beizutragen.

Auf welche Erfahrungen kannst du als Mentorin zurückgreifen?

Angefangen habe ich im Venture Club, wo es vor allem darum ging, die notwendigen Know-how-Bausteine für den Gründungsprozess zu erlernen. Anschließend habe ich meine Erfahrungen in der Founders Academy in Bielefeld vertieft, wo es in einem dreimonatigen Programm darum ging, von der Idee über das Problem zur Lösung zu kommen. Seit Ende 2017 bin ich bei First Momentum und engagiere mich dort als Venture Scout für die Auswahl von Early Stage Startups hier aus der Region. Durch diese Erfahrungen, meine Zeit bei Sustragil, Zwischenstopps auch bei Bayer und dann bei der DIU - wo es ja auch um nichts anderes geht, als Probleme zu identifizieren und Ideen zu validieren und weiterzuentwickeln - habe ich viel Einblick in kundenzentrierte Produktentwicklung und Funnel Management aus verschiedenen Perspektiven bekommen. In dieser Phase sind auch die Startups im Accelerator.

Mich faszinieren die unterschiedlichen Themen und die begeisterten Menschen, die versuchen, etwas Neues zu schaffen und unendlich neugierig sind. Als Mentorin kann ich meine Erfahrung und Expertise einbringen, um den Startups zu helfen. Jeder hat seine Rolle im Ökosystem und ich sehe es als meine Aufgabe, dazu beizutragen.

Was ist deiner Meinung nach das Besondere am Gründungsökosystem in Münster?

Das Gründungsökosystem in Münster hat sich in den letzten fünf Jahren stark entwickelt. Im Vergleich zu anderen Städten ist es aber immer noch weniger zentralisiert. Das dezentrale Modell hat seine Vorteile, da sich Startups sowohl physisch als auch thematisch an verschiedenen Orten wiederfinden können. Eine verbindende Organisation oder Ort wäre jedoch aus meiner Perspektive wünschenswert. Mittlerweile gibt es im Ökosystem eine Art Pipeline für Start-ups, die versucht sicherzustellen, dass diese langfristig in Münster bleiben. Es gibt jedoch noch Diskussionen darüber, wie die Ressourcen und die Unterstützung für Startups noch zielgerichteter verbessert werden können.

Für mich ist es wichtig, dass das Ökosystem zusammenarbeitet, um langfristig erfolgreich zu sein, bzw. erfolgreiche Startup daraus entstehen zu lassen. Meine Masterarbeit hat gezeigt, dass ein wichtiges Element für ein funktionierendes Ökosystem auch die Reintegration von erfolgreichen Gründerinnen und Gründern ist. Sei es durch Mentoring, durch Finanzierung oder auf andere Weise. Das sehen wir in Münster immer häufiger und das ist ein wichtiger Schritt. Dennoch gibt es immer noch Herausforderungen, wie zum Beispiel die flexible Bereitstellung von Räumlichkeiten für Startups.

Für eine erfolgreiche Kooperation gibt es viel zu beachten. Allein die richtigen Ansprechpersonen zu finden und dann zu übersetzen, was das Startup bietet und was beide Seiten von der Zusammenarbeit erwarten.

Wie war dein Einstieg als Mentorin für Accelerator Startups?

Mein erster Kontakt als Mentorin war eigentlich beim Auswahl-Pitch für Accelerator Batch 13, unter anderem mit Kerith. Da ich Kerith und das Thema sehr interessant fand und wusste, dass ich Expertise in den Bereichen B2B Kundenakquise und Geschäftsmodellentwicklung einbringen kann, habe ich mich intensiv mit ihnen beschäftigt. Ich habe sie auch beim Matchmaking mit BASF Coatings zusammengebracht, da es damals einige Anknüpfungspunkte für eine Zusammenarbeit gab.

Beim Matchmaking habe ich gemerkt, wie gut es ist, sowohl die Startup- als auch die Konzernperspektive zu haben. Für eine erfolgreiche Kooperation gibt es viel zu beachten. Allein die richtigen Ansprechpersonen zu finden und dann zu übersetzen, was das Startup bietet und was beide Seiten von der Zusammenarbeit erwarten können. Man kann von einem so jungen Startup keine fertige Lösung erwarten und auch nicht immer, dass die andere Seite einen direkt versteht.

Inzwischen arbeitest du selbst wieder auf der Startup-Seite - als Co-Founderin bei ChemInnovation.

Selbst unternehmerisch tätig zu sein, war schon lange mein Ziel und die Verbindung zur chemischen Industrie zieht sich durch meine gesamte bisherige Karriere. Im Rahmen des REACH Euregio Startup Centers habe ich angesprochen, dass ich mir vorstellen kann, ein wissenschaftliches Spin-off im Chemiekontext zu ergänzen. Letztes Jahr gab es dort einige Startups im Hardwarebereich in der Chemie und ein Team mit einem digitalen Thema – ChemInnovation. Es war dann schnell klar, dass ich da einsteigen wollte. Wir haben ein halbes Jahr zusammengearbeitet und seit dem ersten Juli dieses Jahres bin ich Vollzeit dabei. Finanziert werden wir über EXIST-Forschungstransfer. Bei ChemInnovation ist es nun unsere Aufgabe, aus wissenschaftlichen Erkenntnissen ein marktfähiges Produkt zu entwickeln.

Was genau macht ihr?

Wir nutzen die Technologie der Künstlichen Intelligenz, um die Auswertung chemisch-analytischer Daten zu automatisieren. Chemikerinnen und Chemiker in den Unternehmen, die heute ihre Proben analysieren, machen das mit hoch modernen technischen Maschinen. Die Daten, die hinten rauskommen, müssen jedoch immer noch zeitaufwendig manuell und mit Fachwissen interpretiert werden. Wir fokussieren uns auf analytische Methoden zur molekulare Strukturaufklärung. Unser Algorithmus hat die Regeln der Strukturzusammensetzung von Molekülen erlernt und kann damit in kürzester Zeit sagen, welche Moleküle in der Probe sind. Wir wollen damit nicht nur den Arbeitsalltag erleichtern, sondern auch mehr Informationen generieren, die für übergeordnete Aufgaben, wie z.B. das perfekte „neue“ Produkt zu entwickeln, genutzt werden können.

Welche Rolle spielt Mentoring für dich als Mitgründerin?

Eine wichtige Rolle. Wir arbeiten an einem technologiegetriebenen Thema und müssen den Transfer von der Forschung in die Praxis meistern. Wir bekommen von unterschiedlicher Seite sehr qualifizierten Input zu verschiedenen Themen. Gerne würden wir das noch erweitern durch eine Person, die sich auf den Forschungs- und Entwicklungsprozess in chemisch produzierenden Unternehmen spezialisiert hat und zum Beispiel Erfahrungen aus der Beratung mitbringt und dadurch bereits viele unterschiedliche Unternehmen kennengelernt hat. Uns würden diese Erfahrungen dabei helfen, übergeordneter und besser zu verstehen, wo unsere Technologie den größten Hebel bringen kann, besonders auch was die Entwicklung einer langfristigen Vision angeht.

Was zeichnet deiner Meinung nach ein gutes digitales Startup aus?

Ein gutes digitales Startup zeichnet sich vor allem durch seine Kundenorientierung aus. Die kontinuierliche Verbesserung und Anpassung des Produkts oder der Dienstleistung an die Bedürfnisse der Kundschaft ist entscheidend. Es ist wichtig, nie aufzuhören zu verstehen, was der Kunde sagt, und dieses Verständnis in die Produktentwicklung einfließen zu lassen. Ein starkes Team, das sich gegenseitig unterstützt und ergänzt, ist ebenfalls entscheidend. Außerdem sollten Startups frühzeitig das Netzwerk und die Ressourcen nutzen, die in ihrer Region oder ihrem Ökosystem zur Verfügung stehen. Das ermöglicht, von anderen zu lernen.

Gibt es deiner Meinung nach einen Unterschied zwischen weiblichem und männlichem Mentoring in der Startup-Szene?

Vielfalt ist mir wichtig. Frauen gründen immer mehr und verschiedene Perspektiven und Erfahrungen sollten generell in Entscheidungsprozesse einbezogen werden und sich damit auch im Mentoring wiederfinden. Nicht nur in Bezug auf das Geschlecht, sondern auch auf alle weiteren Diversitätsmerkmale, ist das Ökosystem vorwiegend homogen aufgestellt. Meiner Meinung nach haben wir da noch viel Platz für mehr belebende Vielfalt.

Ich finde es wichtig, dass unsere Hub-Mitglieder das Netzwerk aktiv nutzen, denn dort verbirgt sich schon ganz viel Potential. Das Netzwerk kann auch dazu beitragen, dass Ideen und Technologien in die Unternehmen getragen werden, bei denen es nicht direkt darum gehen muss, sie auch für sich zu verwenden.

Was würdest du Leuten aus der Hub-Community raten, die sich nicht sicher sind, ob ihre Expertise ausreicht, um Startups zu unterstützen, oder ob es das Richtige für sie ist?

Ich halte es für entscheidend für die Startups, dass wir in der Hub-Community ein breites Spektrum an Fachwissen haben. Wir sollten nicht nur Unternehmerinnen und Unternehmer als Mentorinnen und Mentoren haben, sondern auch Menschen mit spezifischer Fach- und Branchenexpertise. Das größte Geschenk ist es, am Anfang auf einer persönlichen Ebene mit Menschen zusammenzukommen und wenn daraus Möglichkeiten entstehen, nicht jemanden „kalt“, sondern über eine Empfehlung aus dem Netzwerk kontaktieren zu können. Es ist großartig, wenn Personen bereit sind, sich in einem bestimmten Bereich zu engagieren, auch wenn es nicht kontinuierlich ist. Denn nicht alle Startups in jedem Batch benötigen Unterstützung in den gleichen Bereichen. Mentoring ist kein Vollzeitjob.

Ich finde es wichtig, dass unsere Hub-Mitglieder das Netzwerk aktiv nutzen, denn dort verbirgt sich schon ganz viel Potential. Und ich glaube auch, dass es nicht nur für das Individuum eine tolle Erfahrung ist. Das Netzwerk kann auch dazu beitragen, dass Ideen und Technologien in die Unternehmen getragen werden, bei denen es nicht direkt darum gehen muss, sie auch für sich zu verwenden. Ein schönes Beispiel, das mir spontan einfällt, ist Agravis, die trotz auch unterschiedlicher Interessen und inhaltlicher Passung regelmäßig am Auswahl-Pitch teilnehmen und sich in die Community einbringen. Die Hub-Community kann dabei helfen, einen Impuls zu bekommen Geschäftsprozesse neu zu denken.

Story verfasst von
Marie Lechtenberg

Marie Lechtenberg

Marketing Managerin
Events PublicRelations
SocialMedia

28.11.2023