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Wie pivoty "das Neue" zu Gigaset brachte

 Eine Startup-Corporate Kooperation erwachsen im Hub: pivoty und Gigaset
Eine Startup-Corporate Kooperation erwachsen im Hub: pivoty und Gigaset
Bild: Jan Lauterjung, pivoty

Für eine völlig neue Produktentwicklung suchte das Kommunikationsunternehmen Gigaset eine Marktforschungslösung. Über ihr Engagement in der Hub-Community entstand die Zusammenarbeit mit dem Startup pivoty. Kai Froese von Gigaset berichtet Oliver über Herausforderungen und Vorteile.

Hallo Kai! Bitte stelle dich und eure Unternehmung doch mal kurz vor.

Ich bin seit 6 Jahren bei der Gigaset, habe dort die ersten drei Jahre Produktmanagement geleitet für verschiedene Geschäftsfelder und bin jetzt seit drei Jahren für den Bereich Strategie, Design & Innovation verantwortlich. Man könnte sagen, das Thema ist: „Wie kommt das Neue in die Gigaset hinein?“. Das impliziert auch, dass die Gigaset vorher schon etwas anderes gemacht hat. Man kennt uns wahrscheinlich als ehemalige Siemens Tochter, die unter dem Namen „Siemens Gigaset“ schnurlose Telefone vertrieben hat. Seit 10 Jahren gibt es nur noch Gigaset. Der Großteil von dem was wir machen sind nach wie vor schnurlose Telefone, gemeinhin tragbare Festnetztelefone. Dazu haben wir unser Sortiment erweitert um Telefonprodukte für Geschäftskunden. Und dazu gibt es mittlerweile auch weitere Geschäftsfelder, wie Smartphones, die wir auch in Bocholt fertigen, oder Lösungen für Smart Home und Smart City. Meine Hauptaufgabe ist also, neue Felder und neue Produktbereiche zu finden und das Unternehmen darauf vorzubereiten.

Wie ist eure bisherige Arbeitsweise? Würdest du sagen, dass ihr fortschrittlich oder agil arbeitet?

Agil zu arbeiten ist bei uns nicht immer so leicht, da agiles Arbeiten sehr softwarezentrisch ist und es bei uns in der Regel um Hardware geht. Und Hardware und agil funktioniert nicht so gut - zumindest nicht so, wie die reine Lehre „agil“ es vorsieht. Wir haben in der Regel einen klassischen Stage Gate-Prozess mit Investmententscheidung. Das heißt, weite Teile des Prozesses und der Produkte laufen nach Stage Gate und wir haben die softwarenahen Aspekte “agilisiert”. Wir arbeiten mit Sprints und MVPs (Minimum-Viable-Product) und entwickeln das Produkt von der Softwareseite weiter. Das funktioniert in Kombination gut - wie wahrscheinlich für alle anderen Firmen ab einer gewissen Größe und mit Hardware-Fokus. Gerade im Innovationsbereich versuchen wir komplett anders vorzugehen. Da orientieren wir uns beispielsweise an Lean Startup.

Habt ihr schon vor der Kooperation mit pivoty mit Startups zusammengearbeitet?

Das ist eine gute Frage. Was vor meiner Zeit war, kann ich nicht beantworten. Während der letzten Jahre eher weniger mit Startups, sondern mit etablierten Partnern oder Agenturen. Es hat die ein oder andere Kooperation im Marketingumfeld mit Startups gegeben. Aber in der Entwicklung oder Produktentstehung eher nicht.

Gab es da besondere Gründe für?

Nein. Es liegt einfach daran, dass wir in vielen Bereichen Nachfolger von Nachfolgern gemacht haben. Also klassische Produkte und viel Inhouse machen. Da gab es dann wenig Berührungspunkte.

Im Herbst letzten Jahres waren wir dann so weit, dass ich gesagt habe: Ich glaube ich habe ein Problem, auf das die pivoty passen könnte.

Wie seid ihr auf das Startup pivoty aufmerksam geworden?

Wenn ich das so genau zurückverfolgen könnte. Es ist nicht so, dass wir uns schon ewig in der Community des Digital Hub münsterLAND engagieren. Der Erstkontakt muss knapp drei Jahre her sein. Da war ich gerade in der Strategierolle und bin mit unserem damaligen Digitalisierungschef in Münster gewesen. Richtig mit euch in Diskussion gekommen sind wir vor etwa zwei Jahren. Ich war bei einigen Veranstaltungen und dann haben wir uns entschieden, Mitglied zu werden. In irgendeinem dieser Zusammenhänge habt ihr uns vorgeschlagen, für uns relevante Startups kennenzulernen. Und so bin ich irgendwann in die Videokonferenz mit pivoty gekommen. Zu dem Zeitpunkt gab es tatsächlich noch keine direkte Schnittmenge mit dem Startup. Ich habe aber gesagt, wenn es so ein ähnliches Problem gäbe, würde ich nochmal auf sie zukommen. Im Herbst letzten Jahres waren wir dann so weit, dass ich gesagt habe: Ich glaube ich habe ein Problem, auf das die pivoty passen könnte.

Kannst du mit eigenen Worten kurz erklären, was pivoty macht? Oder was dir noch in Erinnerung geblieben ist vom Erstgespräch?

Ich glaube, sie sind noch in der Transformation ihres Produktes, aber der Geschäftszweck oder das was sie anbieten, ist eine Lösung für Social Listening. Das bedeutet, Internetforen nach Schlagworten zu durchpflügen und daraus Bedürfnisse der Konsumenten, Einschätzungen zu gewissen Themen, Lead User und Einschätzungen zu Wettbewerbsprodukten etc. abzuleiten. Also eine künstliche Intelligenz, um nicht Leute individuell befragen zu müssen.

Wie konnte euch pivoty weiterhelfen?

Wir haben eine Idee für ein neues Geschäftsfeld, bzw. neues Produktfeld gehabt, das sehr weit von dem entfernt ist - also von der Kundengruppe und den Kundenbedürfnissen - was wir bisher abdeckten. Es ist im weitesten Umfeld ein Kommunikationsprodukt. Das heißt, unsere bestehenden Kunden und Nutzer können wir nicht fragen. Wir hätten für die Einführung massiv klassische Marktforschung betreiben können, haben uns aber gedacht, dass das nicht funktionieren würde und wir eine andere Lösung brauchen. Das Themenfeld ist auch eines, über das Nutzer:innen im Internet stark diskutieren. Und da haben wir uns an pivoty erinnert.

Es gibt im Freizeitbereich ganz viele Foren, in denen Leute sich austauschen und das bot sich für uns an. Letztendlich haben wir Themenfelder und Usecasefelder benannt und pivoty gefragt, ob sie sich vorstellen könnten, dass dabei etwas rauskommt. Sie hatten uns vorher auch einen Pitch vorbereitet und uns gesagt, dass sich für Gigaset vor allem im Bereich „Elderly“ einiges machen lässt. Wir haben dann gesagt: „Denkt mal ganz anders.“ Gerade das fanden die drei ganz spannend, und es passte auch inhaltlich für sie ganz gut. Auch persönliches Interesse spielte hier eine Rolle. Dann haben wir das Ganze in relativ kurzer Zeit umgesetzt. Wir sind erstmal das klassische Produktportfolio der pivoty durchgegangen. Das hatte auch für pivoty Vorteile, da sie eine Vielzahl Referenzcases brauchten und mit uns im Consumer-Elektronik Umfeld einen neuen Bereich abdeckten. Sie hatten zu dem Zeitpunkt vor allem Erfahrungen im Bereich Tierhygiene.

Da gab es von beiden Seiten sehr viel Respekt. Beide Seiten waren lernbereit. Das war extrem positiv.

Was war das Besondere in der Zusammenarbeit mit pivoty?

Das Besondere war, dass die Zusammenarbeit für beide etwas Neues war. Für uns die Arbeit mit einem Startup und für pivoty die Zusammenarbeit mit unseren etablierten Prozessen etc. Besonders war beispielsweise die Frage, wie wir pivoty und unsere Einkaufsprozesse zusammenbekommen. Wir haben gesagt, „schickt mal eure AGBs“- Und dann merkst du: „Ah, AGB haben sie noch nicht“. Cool war, dass sie dann innerhalb von zwei Tagen doch welche hatten, mit denen wir auch arbeiten konnten. Und unsere Organisation war auch hinreichend flexibel, mit einem kleinen Unternehmen zusammenzuarbeiten. Wir haben das Ganze meiner Meinung nach in einer Rekordzeit aufgegleist. Dabei haben wir natürlich immer gemerkt, dass es keine klassischen Prozesse gibt. Wir haben uns beispielsweise auch mal auf Zahlungsziele geeinigt, die ermöglichen, dass das Unternehmen überhaupt weitermacht. Da gab es von beiden Seiten sehr viel Respekt. Beide Seiten waren lernbereit. Das war extrem positiv.

Und weil wir noch nicht genug ausprobiert haben, haben wir mit der Produktidee auch nicht nur intern weitergemacht, sondern haben auch ein Semester lang intensiv mit dem Studiengang Integriertes Produktdesign der Hochschule Coburg zusammengearbeitet. 26 Studierende haben über das Semester daran gearbeitet. Die Ergebnisse und die Findungsphase von pivoty haben wir genutzt, um die Studierenden zu briefen. Das war natürlich auch für pivoty spannend, mit einer Hochschule in einem regelmäßigen Kontakt in einen Prozess zu kommen. Auch die Studierenden hatten den Vorteil, mit Gründern zu arbeiten, die selbst noch nicht lange aus der Uni raus sind und nochmal eine andere Methodik mitbringen. Denn die HS Coburg hat einen sehr großen Methoden-Kanon für das Thema Design und Produktentstehung, in dem das Thema Social Listening auch noch fehlte. Dieses 3-Seiten-Verhältnis hatte also Vorteile für alle. Das Ganze hat so gut funktioniert, dass wir das jetzt im Februar nochmal gestartet haben. Wir haben ein zweites Projekt, wieder mit pivoty und wieder mit der HS Coburg im Smart-Home-Umfeld. Für einen Workshop dazu waren wir auch kürzlich im Digital Hub. Es läuft also ganz gut.

Dann kann man also sagen, dass das erste Projekt sehr erfolgreich war, sonst hättet ihr das zweite Projekt vermutlich gar nicht gestartet. Was würdest du Unternehmen raten, die die Zusammenarbeit mit Startups in Erwägung ziehen?

Mein Tipp ist, sich einfach auf was Neues einzulassen. Wenn etwas gut klingt, einfach probieren. Und auf Augenhöhe begegnen. Wo kann ich zurück skalieren und wo darf ich nicht mit der geballten Welt einer Prozesslandschaft auf so ein kleines Unternehmen losgehen? Was kann ich realistisch erwarten? Und seien wir mal ehrlich: Unser Erstprojekt bei der pivoty war finanziell für uns sehr attraktiv, für pivoty wahrscheinlich eher nicht so. Aber immer überleben lassen. Und sich fragen, was kann ich wirklich für das Geld erwarten. Wir sind jetzt beim zweiten Projekt auch bei anderen Preisen, was völlig in Ordnung ist.

Du kannst dein Glück forcieren, indem du glückliche Umstände schaffst. Das gilt auch, wenn du Mitglied in der Community des Digital Hub münsterLAND bist - und auch hingehst.

Möchtest du noch etwas hinzufügen?

Ich wäre nie auf die pivoty gekommen. Also wir hätten nie aktiv gesucht. Das kam wirklich durch das Matchmaking und die Events beim Hub zustande. Sonst hätte es wahrscheinlich nicht funktioniert. Aber das ist eben auch was ich immer zu meinem Team sage: Du kannst dein Glück forcieren, indem du glückliche Umstände schaffst. Das gilt auch, wenn du Mitglied in der Community des Digital Hub münsterLAND bist - und auch hingehst. Dann kommst du eben auch an solche Kontakte. Und dann war es letzten Herbst eben wirklich so, dass wir den Kontakt zur HS Coburg und zu pivoty und ein Problem hatten und alles hervorragend zusammenpasste. Dann macht man‘s einfach mal - man muss es einfach ausprobieren.

Wir hatten gerade eine Ergebnispräsentation im Management und unser CEO sagte auch: Ihr habt hier mit überschaubarem Budget in Rekordzeit mit einem ganz anderen Weg Ergebnisse erzielt, die wir sonst so nicht bekommen hätten.

Vielen Dank für das Gespräch und schön, dass ihr Teil der Community seid!

Story verfasst von
Oliver Henschen

Oliver Henschen

Projekt Manager
HubSatelliten Mitglieder
Mittelstand

16.08.2022